Meininger Tageblatt:
„ VERBUNDEN IN DER KATASTROPHE
9000 Kilometer ist Fukushima von Thüringen entfernt. Weit weg. Und doch verknüpft die neue Ausstellung im Meininger Kunsthaus beide Orte auf beängstigende faszinierende Art und Weise miteinander.
Meiningen – Bauer Koike kann wieder Feigen ernten. Nach drei Jahren langen Wartens. Erst 2014 liegt die radioaktive Belastung seiner Früchte wieder unter dem Grenzwert; erst jetzt sind sie keiner Gefahr mehr für Leib und Leben. Dreieinhalb Jahre sind seit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima vergangen, als Saori Kaneko und Richard Welz auf dem Land von Ökolandwirt Koike stehen und seine Feigen probieren. Körperlich, sagt Richard heute, merkte man in Fukushima überhaupt nichts.
Der Tod Radioaktivität, er ist unsichtbar und das japanische Fukushima weit weg – geografisch und in der Zeit. Das glaubt man so lange, bis die beiden Künstler in der Galerie des Meininger Kunsthauses ein Bild einer Wiese hervorholen. Aufgenommen in der Nähe von Oberhof. Bläulich weiß krümmen sich die Grashalme auf der zwei mal vier Meter großen Leinwand, wie von Schnee bedeckt. Auch dieses Areal ist radioaktiv belastet. […]
Angst vor der Heimat
In Thüringen gebe es bundesweit die meisten Lungenerkrankungen, fängt Richard plötzlich an zu erzählen. Als er noch gar nicht geboren war, stirbt sein Bruder an Leukämie. Das war 1987. Ein Jahr nach Tschernobyl. Nur zwei Jahre wurde er alt. Das könne natürlich alles Zufall sein. […]
Viele Jahre später trifft Richard an der Bauhaus-Universität in Weimar Saori Kaneko. Sie ist mehr als zehn Jahre älter als er, Jahrgang 1976. Studiert aber wie er Freie Kunst. Saoris Familie stammt aus der Nähe von Tokio. Als keine 250 Kilometer davon entfernt der Reaktorunfall von Fukushima passiert, hat sie gerade das erste Semester in Weimar hinter sich. Saori sieht die Bilder der Katastrophe im Internet und hat große Angst. „Aber meiner Familie ist nichts zugestoßen.“
Das mulmige Gefühl bleibt und begleitet fortan beide. Richard und Saori tun sich zusammen, beginnen zu recherchieren und überlegen, wie man das wissenschaftliche Thema Radioaktivität künstlerisch bearbeiten könnte. Sie wollen das, was man nicht sehen kann, sichtbar machen. Mit einem Impulsmessgerät gehen sie auf die Suche, lichten mit verschiedenen Techniken Gesteinsbrocken und Landschaften ab. „Steinbrüche sind besonders gut geeignet – eigentlich jeder Ort, der eine spröde Oberfläche hat“, erklärt Richard. Durch die Risse kann die Radioaktivität nach außen dringen. Ob die aber vom Reaktorunfall in Tschernobyl stamme oder natürlichen Ursprungs ist, lässt sich nur schwer beantworten. In manchen Gegenden Thüringens findet man schon zwei Meter unter der Erdoberfläche Uran.
Im Oktober 2014 fliegen die Kunststudenten nach Japan. Richard sucht eine Weile nach einem passenden Wort, um den Moment zu beschreiben, als er sich dem Unglücksreaktor bis auf 20 Kilometer angenähert hatte. „Angespannt“, sagt er schließlich. Was seltsam war: In Fukushima überkommt den jungen Mann, der eigentlich aus Wittenberg stammt, ein Gefühl von Heimat. Die Landschaften ähneln sich. „Da wurde mir klar, dass die Erde ein geschlossenes Ökosystem ist.“
Der Student hält die Eindrücke mit einer Kleinbildkamera fest. Doch Richard und Saori haben noch mehr aus Japan mitgebracht: Fukushima, aufgenommen auf Tonband. Es sind Spuren des Unglücks, die stumpfen Laute eines Geigerzählers; aber auch der festgehaltene Alltag der Menschen, die weiter ihr Leben leben. Konserviert für die Ewigkeit. Und plötzlich ist Fukushima ganz nah. […] “1
1 Tischer, Karsten: Verbunden in der Katastrophe, in: Freies Wort, Meininger Tageblatt (10.03.2016), Nr. 59, S. 9.
Mitteldeutsche Zeitung:
„ ZWISCHEN KUNST UND WISSENSCHAFT
Richard Welz und Saori Kaneko zeigen ab Mittwoch ihr Projekt „made by us“.
Wittenberg/MZ – Mit Radioaktivität verhält es sich wie mit den meisten Dingen: Sie hat (sprichwörtlich) zwei Seiten. Ihre negative, weil zerstörerische Kraft, rückt besonders im Angesicht von Katastrophen ins Bewusstsein – aus dem diese meist schnell wieder verschwinden. Im Positiven kommt Radioaktivität in der (Nuklear)Medizin zur Anwendung. Nutzen oder Schaden? Das liegt – wie so oft – beim Menschen selbst. Man könnte auch sagen, es ist „von uns gemacht“.
So, „made by us“, lautet nun nicht nur der Titel der gemeinsamen Diplomarbeit von Saori Kaneko und Richard Welz, beide Absolventen der Bauhaus-Universität Weimar, an der sie Freie Kunst studierten. […] Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit Radioaktivität in der Umwelt, in Deutschland und in Japan.
Dafür haben Kaneko und Welz Reisen unternommen. In Fukushima etwa, in dem sich 2011 eine nukleare Katastrophe ereignete, waren sie u. a. im „Ökogarten“ eines Bauern. Ihn, so Welz, hört man auch in der Ausstellung sprechen, während eine andere Tonaufnahme das Geräusch von Geigerzählern präsentiert. Unterwegs waren die Künstler auch in Ostdeutschland, etwa um in Ronneburg den Spuren des einstigen Uranabbaus zu folgen. Während Welz die fotografischen (analogen) und filmischen Anteile des Projekts bearbeitet hat, befasst sich Kaneko malerisch mit der Thematik. Auch eine Installation mit Telefonhörern stammt von ihr. Sie sind nicht nur Symbol für Kommunikation, sondern ebenso für Entfernung. Denn als es 2011 infolge eines Erdbebens zu mehreren Unfällen sowie Kernschmelzen in einigen Reaktoren in Fukushima kam, war Kaneko in Weimar. Über ihre gemeinsame Arbeitsweise sagt Welz, sie bewege sich zwischen Kunst und Wissenschaft. […] Vor allem möchten sie mit unterschiedlichen Medien und Mitteln „etwas gegen das Vergessen schaffen“. Dabei hinterfragen sie die positiven und die negativen Aspekte der nuklearen Entwicklung und „sehen Parallelen zwischen den Ereignissen in Tschernobyl und Fukushima“.
„made by us“ war bereits im Rahmen des Bundeswettbewerbs „Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus“ in Bonn zu sehen. “2
2 Nitz, Corinna: Zwischen Kunst und Wissenschaft, in: Mitteldeutsche Zeitung, Wittenberg + Gräfenhainichen (14.07.2015), Nr. 160, S. 9.
http://www.mz-web.de/22693684 ©2016
DSW JOURNAL:
„ KUNST LEBT
Leistungsschau. Eine einzigartige Ausstellung in Bonn zeigt das Beste, Frischeste, Interessanteste aus allen deutschen Kunsthochschulen.
Die Telefonhörer, die von der Decke hängen, sind Teil einer Toninstallation von Saori Kaneko, 39, aus Tokio und Richard Welz, 26, aus Wittenberg. Die Installation heißt „made by us – Imagine“; es geht um eine künstlerische Auseinandersetzung mit Atomkraft, es geht um Tschernobyl und Fukushima. Zu hören ab 17. April 2015 in der Bundeskunsthalle in Bonn. Tokio – Wittenberg – Bonn … Wie kommt es zu dieser Kunstkooperation, und warum kennen Sie, vermutlich, die beiden nicht? Noch nicht?
Kaneko und Welz studieren beide Freie Kunst an der Bauhaus-Universität Weimar. Gemeinsam wurden sie von dieser Universität ins Rennen geschickt beim Bundeswettbewerb „Kunststudentinnen und Kunststudenten stellen aus“. Den lobt die Bundesregierung alle zwei Jahre an Deutschlands Kunstschulen und Akademien aus. Dieses Mal sind es 56 Kunst-Studierende insgesamt, Kaneko/Welz eingeschlossen […] “3
3 Grob, Stefan: Kunst lebt, in: DSW JOURNAL, Das Magazin des Deutschen Studentenwerks (Januar 2015), Nr. 1/2015, S. 26-27.
http://www.studentenwerke.de/journale/15_01/#/26
http://www.studentenwerke.de/de/content/change
10.06.16